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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 168/15 OLG Hamm

Leitsatz: Die weisungswidrige direkte und/oder indirekte Aufnahme von Kontakten zu dem früheren Opfer einer schweren Gewalttat durch den bedingt aus der Strafhaft entlassenen Täter kann auch dann zum Widerruf der Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung führen, wenn die Kontaktaufnahme über das Facebook-Profil des Täters erfolgt.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf Strafaussetzung Bewährung Weisungsverstoß Kontaktaufnahme Facebook

Normen: StGB 56f

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 07.05.2015 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 3. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass der Verurteilte seiner damaligen Ehefrau am späten Abend des 1. Juni 2008 aus Verärgerung über die irrige Vorstellung, diese würde

ihn betrügen, mit einem Messer, dessen Klingenlänge etwa 25-30 cm Betrug, mindestens drei Mal in den Oberkörper und zweimal in den Rücken stach, um diese zu töten. Der Vater des Verurteilten hielt diesen von weiteren Stichen ab. Ohne sofortige notärztliche Hilfe wäre die Geschädigte aufgrund einer Stichverletzung im Bereich der rechten Brust alsbald verstorben.

Zur Vorbereitung über die Entscheidung der bedingten Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe holte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld ein Gutachten des Diplom-Psychologen C ein. Zusammenfassend hat der Sachverständige Folgendes festgestellt:

„Im Strafvollzug ist der Proband deutlich nachgereift und hat sich in der psycho-und soziotherapeutischen Behandlung Selbstdistanzierung, Selbsteinsicht und Einsicht in sein Fehlverhalten und kognitiv-emotionale Neuorientierung erarbeitet. Seine ursprünglichen Defizite sind weitgehend kompensiert. Die verurteilte Straftat stellt sich rückblickend als Affekthandlung auf dem Boden eines chronischen Ehekonfliktes dar. Der Partnerkonflikt besteht nicht mehr, der Proband fühlt sich frei und ungebunden im Verhältnis zu seiner Exfrau. Seine affektive und soziale Stabilisierung ist soweit fortgeschritten, dass aus psychologischer Sicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass bei ihm keine Gefahr mehr besteht, dass seine durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht.“

Durch Beschluss der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 4. Februar 2014 wurde der Strafrest nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt. Sie endet am 12. Februar 2018.

Nachdem der Verurteilte der Geschädigten kurz nach seiner bedingten Entlassung aus der Strafhaft u. a. über sein Mobiltelefon eine Nachricht übersandt hatte, erteilte die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten nach vorheriger Anhörung nachträglich u. a. die Weisung, es zu unterlassen, Kontakt zu der Geschädigten direkt oder durch Dritte in jeglicher Form auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufzunehmen. Zur Begründung führte die Strafvollstreckungskammer aus, der Verurteilte habe wieder Kontakt zu seiner geschiedenen Ehefrau aufgenommen, diese fühle sich durch die erneute Kontaktaufnahme bedroht. Ein Näherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz sei bereits gegen den Verurteilten erlassen worden. Eine weitere Kontaktaufnahme können zu einem erneuten Aufleben des früheren Ehekonflikts führen.

Am 14. Juli 2014 stellte der Verurteilte auf seiner privaten Facebook-Seite drei Bilder ein. Diese zeigen einen Mann mittleren Alters der einer auf dem Boden knienden Frau eine Pistole gegen das Gesicht hält, einen Todesengel, der auf einer Knochenflöte spielt und eine Schale mit Innereien vor sich stehen hat sowie eine Uhr. Sämtliche Bilder tragen die Zahl 666 als Überschrift. Im Rahmen einer Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer am 26. August 2014 hat der Verurteilte diesbezüglich erklärt, es sei richtig, dass er diese Fotos auf seiner Facebook-Seite gepostet habe. Die Bilder seien jedoch nicht an seine ehemalige Frau gerichtet gewesen. Die Bilder sollten nur die derzeitige schlimme Gewalt im Nahen Osten demonstrieren. Die Uhr stelle ein Zeichen dafür dar, dass für die Menschen in den Konfliktgebieten die Zeit ablaufe.

Unter dem 23. Februar 2015 teilte die Rechtsanwältin der Geschädigten mit, der Verurteilte würde Nachrichten auf seiner Facebook-Seite posten, die an seine geschiedene Ehefrau gerichtet seien oder diese beträfen. Er spreche diese dort mit dem ihr von ihm gegebenen Spitznamen „Assisa“ an.

Unter anderem hatte er am 1. Januar 2015 geschrieben: „Assisa du bist ein Schwein wie deine kinde. Du bist die groß Hure von babelon. Du bist der allerletzte Dreck.(...) Ich werde meinen Kampf zurückziehen, denn es lohnt sich nicht gegen solch eine Schweine Familie wie deine zu kämpfen, das ist es mir nicht werrt, ihr seit es nicht mal würdig, es lohnt sich einfach nicht dich und den rest deines Schweinehaufens zu lieben. Heute lachst du noch über diese Worte, aber 2020 nicht, denn bis dahin bin ich ein erfolgreicher Mann, obendrauf außergewöhnlich dank Isis. Ich werde Präsident sein und du wirst garnichts von mir kriegen, auch nicht deine Kinder, ihr seit es nicht würdig ihr Schweine, denk daran ich habe dich in ruhe gelassen, da du es nicht wert bist. Wir sehen uns 2020 du Schwein, auf wiedersehen du Schwein.“

Am 23. Februar 2015 fand vor dem Amtsgericht Hannover ein Hauptverhandlungstermin statt. Gegenstand dieses Verfahrens war der Vorwurf von 4 Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz. Der Verurteilte sollte im Zeitraum von Juli bis August 2014 via Facebook zwei Freundschaftanfragen an die Geschädigte gesandt haben. Ferner soll er zweimal jeweils drei Fotos eingestellt haben, welche die Geschädigte bzw. deren Kinder zeigen. Das Verfahren endete mit einem Freispruch.

Unmittelbar nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hannover wurde die Geschädigte von Verwandten darüber informiert, dass der Verurteilte Nachrichten auf seiner Facebook-Seite eingestellt habe, die die Geschädigte beträfen. In insgesamt drei mit entsprechenden Affenfotos unterlegten Postings wird die Geschädigte direkt mit ihrem Vornamen angesprochen. Sämtliche dieser Affenfotos sind mit „du bist ein Affe Manal“ überschrieben, wobei es sich bei Manal um den Vornamen der Geschädigten handelt. In einer weiteren Nachricht schreibt der Verurteilte: „Huda sag zu deiner Schwester: Du bist geistig beeinträchtig und lässt dich schnell von anderen Leuten um den Finger wickeln.“ Huda ist der Name der Schwester der Geschädigten. Außerdem veröffentlichte der Verurteilte folgenden Text auf seiner Facebook Seite: „Ich werde dich niemals lieben… bist nicht mein Typ… Ich kann dich einfach nicht leben ich hasse dich… lass mich in Ruhe… gehe nicht mehr auf meine Seite rein… du bist einfach eklig.. ich kenne deine Vergangenheit – – ich weiß auch deine Zukunft…. Hannover“. Ferner veröffentlichte der Verurteilte folgenden Text auf seiner Facebook Seite: „ist die große Hure aller Zeiten..dein Vater ist ein Hund…du bist so ein Dreck Familie… wer seine Kinder verkauft kann alles verkaufen… du stinkst nach ein toter Ratte… du wirst bald ein Krankheit bekommen… du wirst langsam sterben“.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte daraufhin den Antrag die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen.

Im Rahmen seiner Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld am 17. März 2015 hatte der Verurteilte erklärt, bei dem Text, der die Person mit dem Namen Assisa behandle, handele es sich um ein Gedicht. Assisa sei ein Fantasiename. Er schreibe viele Gedichte und Geschichten und hierbei handele es sich ausnahmsweise um ein nicht besonders nettes Gedicht. Eine Anspielung auf seine geschiedene Ehefrau sei hierin nicht zu sehen. Die Affenfotos, welche mit dem Satz „du bist ein Affe Manal“ überschrieben sind, seien nicht an seine geschiedene Ehefrau sondern an eine Cousine gerichtet gewesen, die denselben Namen trägt. Die Nachricht, in der eine Huda aufgefordert werde, ihrer Schwester zu sagen, sie sei geistig beeinträchtigt, sei ebenfalls nicht an die Geschädigte oder deren Schwester gerichtet gewesen. Es habe sich lediglich um eine Geschichte gehandelt, die dem Verurteilten gefallen habe, so dass er sie auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht habe.

Die 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld widerrief daraufhin am 18. März 2015 die dem Verurteilten gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung.

Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 21. März 2015 zugestellt. Durch Fax-Schreiben seines Verteidigers vom 26. März 2015 hat er gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld „Rechtsmittel“ eingelegt und dieses mit weiterem Schreiben vom 27. April 2015 näher begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Das als sofortige Beschwerde auszulegende „Rechtsmittel“ des Verurteilten ist gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO i.V.m. § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB statthaft und innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden. In der Sache ist ihm jedoch der Erfolg zu versagen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld hat die Strafaussetzung zur Bewährung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 3. Februar 2009 zu Recht widerrufen.

Gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung wenn die Verurteilte Person gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Verurteilte hat gröblich und beharrlich gegen die ihm erteilte Weisung, es zu unterlassen, Kontakt zu der Geschädigten direkt oder durch Dritte in jeglicher Form auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufzunehmen, verstoßen.

Das Verhalten des Verurteilten stellt sich als mehrfacher Verstoß gegen die ihm erteilte Weisung dar. Durch das Veröffentlichen von Affenfotos, welche mit dem Namen seiner geschiedenen Ehefrau überschrieben waren, die direkte Ansprache an die Schwester seiner geschiedenen Ehefrau sowie den weiteren Text, der die familiäre Situation und den derzeitigen Wohnort seiner geschiedenen Frau aufgreift, hat der Verurteilte Kontakt zu der Geschädigten aufgenommen.

Dem Verurteilten war dabei auch bewusst, dass die Einträge auf seinem Facebook-Profil zumindest von Verwandten und Bekannten der Geschädigten gelesen wurden. Ihm kam es daher in jedem Fall auf eine Übermittlung seiner Texte und Nachrichten an die Geschädigte durch Dritte an.

Nach seinem eigenen Vortrag im Rahmen seiner Beschwerdebegründung hatte seine geschiedene Ehefrau daneben durch einen mit ihm bekannten Freund Zugriff auf seine „Internetseite“. Die unmittelbare namentliche Ansprache der Geschädigten stellt demnach auch einen Weisungsverstoß in Form der direkten Kontaktaufnahme dar.

Soweit der Verurteilte der Auffassung ist, er könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass seine geschiedene Ehefrau sich auf dem Umweg über einen Bekannten Zugang zu seiner Facebook-Seite verschafft hat, steht dies dem Weisungsverstoß nicht entgegen. Durch das Einstellen der entsprechenden Fotos und Nachrichteneinträge auf seiner Facebook-Seite sind diese öffentlich verwendet und damit einem durch ihn nicht näher bestimmbaren Personenkreis inhaltlich mitgeteilt worden (vgl. zum öffentlichen Verwenden von Fotos in einem Facebook-Profil: BGH, Beschluss vom 19. August 2014 – 3 StR 88/14 –, juris; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.2013, II-2 UF 254/12 -, juris).

Angesichts der Vielzahl und des beleidigenden Inhalts der Facebook-Einträge und Nachrichten liegt auch ein gröblicher und beharrlicher Weisungsverstoß vor.

Der Verurteilte hat im Rahmen seiner Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer auch die Urheberschaft der zuvor aufgeführten Eintragungen und Fotos – anders als in dem gegen ihn gerichteten Verfahren wegen Verstoßes nach dem Gewaltschutz-gesetz - zugestanden. Seine Erklärungen hinsichtlich der Zielrichtung der entsprechenden Nachrichten und Einträge hat der Senat indes nicht als plausibel angesehen. Der Inhalt der Einträge, der eine Vielzahl an Parallelen zu dem Leben des Verurteilten aufweist, lässt für den Senat nur den Schluss zu, dass es sich nicht um Gedichte oder an dritte Personen gerichtete Nachrichten handelt. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass es dem Verurteilten darauf ankam, Kontakt - unmittelbar oder durch Dritte – zu der Geschädigten herzustellen.

Die gröblichen und beharrlichen Weisungsverstöße geben auch Anlass zu der Besorgnis, dass der Verurteilte erneut Straftaten – zumindest Beleidigungs- und Bedrohungsdelikte – begehen wird. Angesichts der Gesamtumstände sieht der Senat darüber hinaus auch die Gefahr der Begehung von Straftaten, die gegen den Körper oder das Leben der Geschädigten gerichtet sind. Die Weisungsverstöße des Verurteilten und seine Erklärung im Rahmen der mündlichen Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer, er habe seinem Therapeuten von den zwei Gesichtern der Geschädigten erzählt und dieser habe ihm daraufhin gesagt, er sei nicht krank und benötige keine Therapie, zeigen, dass der Verurteilte den fast sieben Jahre zurückliegenden Partnerschaftskonflikt - der in eine massive Gewalttat gemündet ist - auch nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe noch nicht aufgearbeitet hat. Der Senat teilt auch nicht die Einschätzung des psychologischen Sachverständigen, dass im Strafvollzug eine deutliche Nachreifung stattgefunden habe und der Verurteilte Selbsteinsicht und Einsicht in sein Fehlverhalten erarbeitet habe. Dagegen spricht bereits der Inhalt der Nachrichten an die Geschädigte sowie die Tatsache, dass sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, dass der Verurteilte während seiner Zeit in der Justizvollzugsanstalt I in den Jahren 2008 und 2010 in tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen verstrickt gewesen ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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