Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 477/14 OLG Hamm

Leitsatz: Eine Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht etwa aufgrund der Regelung des § 55 Abs.1 JGG unzulässig. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Wird ein Rechtsmittel entgegen § 55 Abs. 1 JGG (wirksam) beschränkt, so führt dies zu seiner Unzulässigkeit.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Zuchtmittel, Erziehungsmaßregel, Beschränkung, Berufung, Unzulässigkeit, Teilrücknahme, Rechtsmittel

Normen: JGG 55

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 02.10.2014 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe
I.
Der Jugendrichter beim Amtsgericht Bad Berleburg hat mit Urteil vom 01.04.2014 gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung einen Dauerarrest von zwei Wochen verhängt, ihm aufgegebenm, eine Geldbuße von 900 Euro in monatlichen Raten von 50 Euro zu zahlen und ihn angewiesen, für die Dauer von 18 Monaten eine bestimmte Gaststätte (Tatort) nicht zu betreten. Mit am 03.03.2014 beim Amtsgericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Nachdem dem Angeklagten das Urteil am 24.04.2014 zugestellt worden war, hat er mit Verteidigerschriftsatz vom 24.07.2014 sein Rechtsmittel "auf das Strafmaß beschränkt". Als Ziel seines Rechtsmittels gab er an, er wolle aus Angst um eine Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses eine freiheitsentziehende Maßnahme vermeiden.

Daraufhin hat ihm das Berufungsgericht den Hinweis erteilt, dass das Rechtsmittel unzulässig sei, weil nach § 55 Abs. 1 JGG ein Urteil, in dem lediglich Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel angeordnet worden seien, nicht wegen des Umfangs dieser Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden könne, weil andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 20.08.2014 hat der Angeklagte ausgeführt, er halte die Berufungsbeschränkung in Ansehung des § 55 Abs. 1 JGG für unwirksam. Die Berufung werde darauf gestützt, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen falsch beurteilt worden und die verhängte Sanktion rechtswidrig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde, deren Verwerfung als unbegründet die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt hat.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet.

Die kleine Strafkammer hat die Berufung des Angeklagten zu Recht als unzulässig nach § 322 StPO verworfen. Das Rechtsmittel ist nach § 55 Abs. 1 JGG unstatthaft. Mit dem amtsgerichtlichen Urteil sind gegen den Angeklagten lediglich Erziehungsmaßregeln (Betretungsverbot nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 JGG) und Zuchtmittel (Zahlungsauflage nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG, Jugendarrest nach § 16 JGG) verhängt worden.

Eine solche Entscheidung kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen (§ 55 Abs. 1 JGG). Gerade dies hat der Angeklagte aber infolge seiner Berufungsbeschränkung getan. Da dies im Schriftsatz vom 24.07.2014 (auch) nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist des § 317 StPO erfolgt ist, handelt es sich in jedem Falle um eine Teilrücknahme der ursprünglich unbeschränkt eingelegten Berufung. Der Streit, ob eine Einschränkung des Rechtsmittels in noch laufender Berufungsbegründungsfrist nach § 317 StPO nur eine Konkretisierung darstellt oder ob jede Einschränkung nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist des § 314 StPO schon eine Teilrücknahme ist (vgl. dazu: OLG Hamm, Beschl. v. 12.02.2008 - 3 Ss 514/07 - [...] m.w.N.; Eschelbach in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 318 Rdn. 6), kann daher dahinstehen.

Die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung muss sich daher vorliegend an den Regelungen zur (Teil-) Rücknahme eines Rechtsmittels messen lassen. Insoweit ist festzustellen, dass es sich bei dem Rechtsfolgenausspruch um einen abtrennbaren Beschwerdepunkt handelt und die erforderliche Form (für die Rücknahme gelten dieselben Formerfordernisse wie für die Einlegung des Rechtsmittels, vgl. Eschelbach a.a.O., Rdn. 9; Gössel in: LR-StPO, 26. Aufl., § 318 Rdn. 15 m.w.N.) durch den Verteidigerschriftsatz gewahrt worden ist. Auch war der Verteidiger des Angeklagten zur Teilrücknahme des Rechtsmittels ausdrücklich ermächtigt i.S.v. § 302 Abs. 2 StPO. Insoweit reicht nicht die allgemeine Verteidigervollmacht (es sei denn, die Mandatierung erfolgte allein zum Zweck der Durchführung des Rechtsmittels), sondern die Ermächtigung zur (Teil-) Rücknahme muss sich auf ein konkretes Rechtsmittel beziehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 302 Rdn. 32 m.w.N.). Diese Ermächtigung ist formlos, also auch mündlich möglich. Ihr Nachweis kann auch noch nach Abgabe der Erklärung erfolgen (OLG Hamm a.a.O.). Schon die Abfassung des Schriftsatzes vom 24.07.2014 legte nahe, dass die Beschränkung der Berufung mit dem Angeklagten abgesprochen, der Verteidiger also entsprechend ermächtigt war. Dies ergibt sich daraus, dass der Verteidiger das Ziel des Angeklagten formuliert und noch ergänzende Informationen zur persönlichen Situation des Angeklagten übermittelt hat. Auf entsprechende Nachfrage des Berichterstatters hat der Verteidiger dementsprechend auch mit Schriftsatz vom 26.09.2014 mitgeteilt, dass die Berufungsbeschränkung "mit dem Angeklagten so besprochen war". Auch hier teilt er mit, dass es dem Angeklagten in erster Linie darum gehe, einen Dauerarrest zu vermeiden. Wenn es aber erforderlich sei, dazu das ganze Verfahren neu "aufzurollen", so solle dies geschehen. Angesichts dieser Erklärung hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte seinen Verteidiger zur Berufungsbeschränkung ermächtigt hatte.

Die einmal wirksam erklärte Teilrücknahme des Rechtsmittels kann nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist (vgl. BayObLG NJW 1968, 66) aber nicht mehr ihrerseits zurückgenommen und nun doch das amtsgerichtliche Urteil wiederum unbeschränkt angefochten werden. Angesichts des dargestellten Verfahrensablaufs kam der Sinneswandel zu einer (erneuten) uneingeschränkten Anfechtung erst nach dem Hinweis des Vorsitzenden der kleinen Strafkammer auf die mögliche Unzulässigkeit der Berufung infolge ihrer Beschränkung. Die daraufhin erklärte uneingeschränkte Anfechtung des Urteils geht aber hinsichtlich des nunmehr wiederum angefochtenen Schuldspruchs ins Leere, da mit der Teilrücknahme der Berufung nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist insoweit bereits horizontale Teilrechtskraft eingetreten war (vgl. OLG Oldenburg NSZ 2009, 450; Eschelbach a.a.O. Rdn. 22; Meyer-Goßner/ Schmitt a.a.O., Rdn. 31).

Die (Teil-) Rücknahme eines Rechtsmittels ist als Prozesshandlung grundsätzlich auch unwiderruflich und unanfechtbar. Ein bloßer Irrtum über die Auswirkungen eines Urteils oder sonstige enttäuschte Erwartungen sind insoweit unbeachtlich

(BGH, Beschl. v. 16.03.2010 - 4 StR 572/09 - [...] m.w.N.). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall bestehen nicht.

Anders als der Angeklagte meint, ist eine Rechtsmittelbeschränkung nicht aufgrund der Regelung des § 55 Abs. 1 JGG unzulässig. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 2 Abs. 2 JGG). § 55 Abs. 1 JGG enthält - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist - keine Regelung zur Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung/Teilrücknahme sondern eine Regelung zur Statthaftigkeit bestimmter beschränkt eingelegter oder nachträglich beschränkter Rechtsmittel. Ziel des § 55 JGG ist es nämlich, bestimmte, dem Erziehungsgedanken und dem besonderen jugendstrafrechtlichen Beschleunigungsgebot abträgliche Verläufe und Ergebnisse von Rechtsmittelverfahren zu vermeiden (Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 55 Rdn. 35 ff.). Dieses Ziel würde aber nicht erreicht, wenn die Vorschrift zur Folge hätte, dass jede Rechtsmittelbeschränkung unwirksam und damit das Rechtsmittel unbeschränkt durchgeführt werden müsste.



zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".