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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RVs 97/13 OLG Hamm

Leitsatz: Ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung schuldunfähig war, ist eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch materiell unwirksam.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung, Wirksamkeit

Normen: StPO 318

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 14.01.2014 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die

Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter Körperverletzung und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Gegenstand der Verurteilung war eine verbal und tätlich geführte Auseinandersetzung des Angeklagten mit Gästen einer Geburtstagsfeier, als der zuvor nicht zu dieser Feier eingeladene Angeklagte sich anschickte, an dieser Feier teilzunehmen. Das Landgericht verwarf die formell wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten als unbegründet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft keine eigenen Feststellungen und keine eigene Entscheidung zur Schuldfrage getroffen, weil es zu Unrecht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist.

1. Die Beschränkung der Berufung erweist sich als materiell unwirksam.

Ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung schuldunfähig (§ 20 StGB) war, ist eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch materiell unwirksam, weil in dieser Konstellation die den Schuldspruch betreffende Frage der Schuldunfähigkeit nicht getrennt von der zum Rechtsfolgenausspruch gehörenden Frage der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) geprüft werden kann (Senat, Beschlüsse vom 5. November 2007 - 3 Ss 461/07 - und vom 22. November 2007 - 3 Ss 484/07 -, beide veröffentlicht in [...]). So liegt der Fall hier.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt am 20. Mai 2012 gegen 2.40 Uhr morgens aufgrund einer erheblichen Alkoholisierung schuldunfähig war. Das Amtsgericht hat in den Gründen seines Urteiles ausgeführt, der Angeklagte, bei dem eine "Alkoholerkrankung" bestehe und der nach eigenen Angaben nunmehr eine "Alkoholtherapie" machen wolle, habe unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen an einer Junggesellenabschiedsfeier teilgenommen, auf der "Mixgetränke mit hartem Alkohol" konsumiert worden seien. Der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärt, er habe vor der Tat so viel Alkohol getrunken, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, wie er nach der Tat nach Hause zurückgekehrt sei. Er habe während des Abends mehrere "Mixgetränke mit hartem Alkohol" zu sich genommen, an die genaue Anzahl könne er sich indes nicht mehr erinnern. Ein Zeuge habe angegeben, der Angeklagte sei "erheblich alkoholisiert" gewesen. Vor diesem Hintergrund hätte es eingehender Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat sowie zum Verhalten, zum Erscheinungsbild und zu den Äußerungen des Angeklagten während des Tatgeschehens bedurft, um ausschließen zu können, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholbedingt schuldunfähig war. Entsprechende Feststellungen lässt das amtsgerichtliche Urteil indes vermissen. Zur Tatvorgeschichte teilt es lediglich mit, es sei zu einem - zunächst verbal geführten - Streit gekommen, als der Angeklagte an der Geburtstagsfeier habe teilnehmen "sollen". Abgesehen davon, dass unklar bleibt, warum der Angeklagte an dieser Feier teilnehmen "sollte" (sofern es sich hierbei nicht um einen Schreibfehler handelt und tatsächlich "wollen" statt

"sollen" gemeint war), fehlt die Darstellung näherer Einzelheiten zur Entstehung der Auseinandersetzung, die eine Prüfung ermöglicht hätten, ob der Angeklagte hierbei situationsadäquat agiert und reagiert hat. Nähere Einzelheiten zum Verhalten, zum Erscheinungsbild und zu den Äußerungen des Angeklagten während des eigentlichen Tatgeschehens, die eine Untersuchung seiner Schuldfähigkeit ermöglicht

hätten, enthält das Urteil des Amtsgerichts ebenfalls nicht. Der Umstand, dass der Angeklagte - wenn auch "gezielt" - mit der Faust in Richtung des Gesichtes des Zeugen E, der lediglich deeskalierend auf ihn einwirken wollte, schlug,

diesen indes knapp verfehlte und anschließend gegenüber diesem Zeugen äußerte, er werde ihn "totschlagen", deutet darauf hin, dass sowohl die körperlichen Fähigkeiten als auch die Fähigkeit des Angeklagten, situationsangemessen zu reagieren, bereits nicht unerheblich eingeschränkt waren. Der bloße Hinweis darauf, dass der Angeklagte nach der übereinstimmenden Aussage aller Zeugen seine Schläge "sehr gezielt" ausgeführt habe, und die nicht näher erläuterte Anmerkung, dass keiner der Zeugen "Ausfallerscheinungen" festgestellt habe, reichen vor diesem Hintergrund nicht aus, um eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen zu können.

2. Der Senat hebt das angefochtene Urteil des Landgerichts daher nach § 353 StPO mit den Feststellungen auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurück.


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