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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 114/13 OLG Hamm

Leitsatz: Dem der Gerichtssprache unkundigen Beschuldigten steht unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers zu, ohne dass es zuvor eines förmlichen Antragsverfahrens bedarf.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Dolmetscher, Ermittlungsverfahren, kostenlose Zuziehung

Normen: MRK Art. 6

Beschluss:

OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
1 Ws 114/13 OLG Hamm

Strafsache
gegen pp.
zurzeit in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal,

wegen Verdachts des schweren Raubes u. a.,
(hier: Beiziehung eines Dolmetschers).

Auf das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Angeschuldigten vorn 03.02.2014 gegen den Beschluss der 34. großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 29.01.2014 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. März 2014 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Angeschuldigten und seiner Verteidiger beschlossen

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben

Es wird festgestellt. dass dem Angeschuldigten aus Art. 6 Abs. 3e EMRK der Anspruch zusteht, im vorliegenden Strafverfahren auf Kosten der Staatskasse für Gespräche mit seinem Wahlverteidiger Rechtsanwalt einen Dolmetscher für die arabische Sprache hinzuzuziehen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeschuldigten in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Zuschrift vom 18.02 2014 u.a. Folgendes ausgeführt:

„Durch Beschluss vom 13.11.2013 (BI. 167 d. DA) hat das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - in Dortmund Rechtsanwalt XX in Dortmund als Pflichtverteidiger bestellt Nach Anklageerhebung zur 34. Strafkammer des Landgerichts Dortmund am 10.01.2014 (BI. 216 if d. DA) hat sich Rechtsanwalt Y. unter Vollmachtsvorlage (BI. 252 d. DA) mit Schreiben vom 22.01.2014 (BI. 251 d. DA) zur Akte gemeldet und mit Schreiben vom 29.01.2014 (BI. 245 d. DA) beantragt, die Kostenübernahme für die Hinzuziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache in der JVA Wuppertal zu genehmigen. Mit Beschluss vom selben Tag (BI. 246 f d. DA) wies das Landgericht Dortmund den Antrag auf Kostenübernahme zurück.

Gegen diesen seinem Verteidiger Y. am 31.01.2014 (BI. 249 d. DA) zugestellten Beschluss wendet sich der Angeschuldigte mit dem nicht näher bezeichneten „Rechtsmittel" vom 03.02.2014 (BI. 253 d. DA). Das Landgericht Dortmund hat der Beschwerde des Angeschuldigten nicht abgeholfen (BI. 254 f d. DA) und die Doppelakte mit Verfügung vorn 06.02.2014 (BI. 274a d. DA) über die Staatsanwaltschaft Dortmund zwecks Entscheidung an das Oberlandesgericht Hamm weitergeleitet.

II.
Die gemäß Art. 6 Abs. 3c, Art. 6 Abs. 3e EMRK, § 137 Abs. 1, 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

Es entspricht den in Art. 6 Abs. 3e EMRK aufgestellten Grundsätzen, dass einem der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für

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vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger ein Anspruch auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers eingeräumt wird, so dass die im Verkehr mit dem VVahlverteidiger entstandenen Dolmetscherkosten dem Angeklagten zu erstatten sind (zu vgl. BVerfG NJVV 2004, 50). Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland haben die gleichen prozessualen Grundrechte sowie den gleichen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und auf umfassenden und objektiven gerichtlichen Schutz wie Deutsche (zu vgl. BVerfG-Entscheidung, 40, 95 = NJW 1995, 1597 m.w.N.; Meyer-Goßner, MRK Art. 6 Rdnr. 23a). Einem ausländischen Angeklagten, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, muss daher ohne Rücksicht auf seine finanzielle Lage unentgeltlich ein Dolmetscher beigeordnet werden (EKMR NJW 1978, 477, 4 zu § 185 GVG). Die Regelung des § 137 Abs. 1 StPO würde für den ausländischen Angeklagten rechtswidrig beschnitten, wenn diesem durch die Versagung der Inanspruchnahme eines Dolmetschers der Verkehr mit einem ihm nach dem Strafprozessrecht zustehenden Wahlverteidiger verwehrt werden würde. Es wäre eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung des Angeklagten, ihm den Zugang zu einem weiteren Verteidiger zu versagen, mit dem er sich nicht verständigen könnte (zu vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 16.11.2010 - 10 Qs 92/10 - zitiert nach juris; LG Dresden, Beschluss vom 16.08.2010 - 3 Qs 92/10 - zitiert nach juris)."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Ergänzend wird auf die Beschlüsse des OLG Jena vom 16.02.2012 - 2 Ws 580/11 - www.burhoff.de - und des OLG Karlsruhe vorn 09.09.2009 - 2 Ws 305/09 - juris - hingewiesen und angemerkt, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vorn 20.12.2010 - III - 1 Ws 271/10 ) Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK dem der Gerichtssprache unkundigen Beschuldigten unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers einräumt (BGHSt 46, 178), ohne dass es zuvor eines förmlichen Antragsverfahrens bedarf (BVerfG NJW 2004, 50).

Der angefochtene Beschluss war daher unter Feststellung eines entsprechenden Anspruchs des Angeschuldigten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 3 und 4 StPO






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