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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 216/13 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Die Anordnung der Schadenswiedergutmachung im Rahmen einer Bewährungsauflage kann nur als Ausgleich gegenüber dem unmittelbar geschädigten Tatopfer selbst erfolgen.

2. Verstirbt der Verletzte, so ist es (auch mit Einverständnis des Verurteilten) jedenfalls unzulässig, im Rahmen einer Änderung der Bewährungsauflage die Zahlung der Wiedergutmachungsauflage an seine Rechtsnachfolger anzuordnen. Auf einen Verstoß hiergegen kann ein Widerruf nicht gestützt werden.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiederruf, Schadenswiedergutmachung, Rechtsnachfolger

Normen: 56f StGB

Beschluss:

Strafvollstreckungssache
in pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 25.06.2013 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Juni 2010 - 36 KLs 190 Js 206/09 (50/09) - wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt. Dem Verurteilten wurde die Auflage erteilt, "an den Nebenkläger auf dessen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus dem Vorfall vom 09. Mai 2009 monatlich 250 Euro .... zu zahlen".

Der Verurteilte, der in der Hauptverhandlung mit dem Nebenkläger einen Vergleich auf Zahlung von insgesamt 12.000,00 € zum Ausgleich der Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche abgeschlossen und hierauf vorab 1.000,00 € gezahlt hatte, nahm die Zahlungen ab Juni 2010 auf und zahlte mit Ausnahme einer Rate für November 2010 bis September 2011 auflagegemäß monatlich 250,00 € an den Nebenkläger.

Nachdem der Verurteilte erfahren hatte, dass der Nebenkläger bereits Anfang September 2011 verstorben war, stellte er die Zahlungen im Oktober 2011 ein und teilte dies über seine damalige Rechtsanwältin der Strafkammer mit, verbunden mit der Bitte, einen anderen Zahlungsempfänger zu benennen.

Im Rahmen einer inhaltlich in einem Vermerk festgehaltenen telefonischen Erörterung der Sache teilte der Kammervorsitzende der Rechtsanwältin des Verurteilten seine Auffassung dahin mit, der Verurteilte habe die nach der Auflage zu leistenden Zahlungen nunmehr an die Eltern des Nebenklägers zu erbringen. Diese seien die Erben des Nebenklägers; darüber hinaus seien die Ansprüche bereits vor dem Tod des Nebenklägers an die Eltern abgetreten gewesen und die Zahlungen demensprechend an die Mutter bzw. die Eltern geflossen.

Mit Beschluss vom 29. November 2011 änderte die Strafkammer die Auflage dahingehend ab, "dass der Verurteilte künftig ... die ihm auferlegten monatlichen Raten ... an die Eltern des Verstorbenen ... zu zahlen hat". In der Folge zahlte der Verurteilte - trotz gerichtlicher Anmahnung - bis zum November 2012 keine weiteren Beträge. Mit weiterem Beschluss vom 07. Mai 2012 wurde die Bewährungszeit im Hinblick auf eine erneute Straffälligkeit des Verurteilten (fahrlässige Trunkenheit im Verkehr) auf 5 Jahre verlängert.

Seit Dezember 2012 hat der Verurteilte nach einer vom Senat fernmündlich eingeholten Auskunft der Rechtsanwältin der Eltern des verstorbenen Nebenklägers bis heute wieder monatliche Raten von 250,00 € gezahlt.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2012 hat die Strafkammer die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und hierzu ausgeführt, der Verurteilte habe gegen die erteilte Zahlungsauflage gröblich und beharrlich verstoßen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde vom 27. März 2013, mit welcher er im Hinblick auf die Beschwerdefrist vorbringt, er habe von dem Widerruf keine Kenntnis gehabt und hiervon erst nach seiner Verhaftung erfahren.

Tatsächlich war in der Annahme eingetretener Rechtskraft nach vermeintlich ordnungsgemäßer Zustellung die Vollstreckung eingeleitet und der Verurteilte am 13. März 2013 verhaftet worden. Er wurde am 02. Mai 2013 entlassen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist nicht verfristet, da entsprechend den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft
Hamm in ihrer Zuschrift vom 06. Mai 2013 eine ordnungsgemäße Zustellung des Widerrufsbeschlusses durch den in der Zustellungsurkunde ausgewiesenen Einwurf in einen "Türschlitz" - zumal einer Haustür und nicht einer Wohnungstür - nicht belegt ist. Ebenso ist nicht feststellbar, wann genau der Verurteilte nach seiner Verhaftung vom Inhalt des Beschlusses Kenntnis bekommen hat.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Der Verurteilte hat zwar gegen die ihm mit Beschluss der Strafkammer vom 29. November 2011 auferlegten Zahlungsverpflichtung zugunsten der Eltern des verstorbenen Nebenklägers verstoßen. Hierauf kann ein Widerruf jedoch nicht gestützt werden, weil die Auflage nach Bewertung des Senats im Sinne des § 453 Abs. 2 S. 1 StPO gesetzwidrig ist.

Ein Bewährungsbeschluss ist hinsichtlich der erteilten Auflagen und Weisungen mit der einfachen Beschwerde anfechtbar mit der Folge, dass die getroffenen Anordnungen nicht der Rechtskraft fähig sind. Ihre Rechtmäßigkeit ist - soweit keine Beschwerdeentscheidung ergangen ist - im Rahmen eines späteren Widerrufsverfahrens von Amts wegen zu prüfen, da auf eine unzulässige Anordnung ein Widerruf nicht gestützt werden darf (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2004 - 2 Ws 344/03 -, BeckRS 2004, 30336850).

So liegt der Fall hier.

Die in § 56 b Abs. 2 StGB aufgeführten Auflagen, die zur Genugtuung für das begangene Unrecht festgesetzt werden können, stellen einen abschließenden Katalog dar (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, zu § 56 b, Rdnr. 5). Dementsprechend ist die Anordnung von Auflagen, die keine Grundlage in § 56 Abs. 2 StGB haben, unzulässig mit der Folge, dass ihre Nichterfüllung keinen Widerrufsgrund darstellt (Vgl. Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, zu § 56 b Rdnr. 8).

Nach zutreffender herrschender Meinung kann die Anordnung der Schadenswiedergutmachung nur erfolgen als Ausgleich gegenüber dem unmittelbar geschädigten Tatopfer selbst (vgl. Fischer a.a.O., Rdnr 6), und zwar allein betreffend den diesem selbst entstandenen Schaden (Schönke-Schröder, a.a.O., Rdnr. 9). Dementsprechend ist es als unzulässig bewertet worden, Zahlungen an einen allenfalls lediglich mittelbar Geschädigten anzuordnen (vgl.
OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.1996, 2 Ws 442/96, NStZ 1997, 237, Unzulässigkeit der Zahlungsauflage zugunsten einer Versicherung, die auf den durch eine Brandstiftung entstandenen Gebäudeschaden Ausgleichsleistungen erbracht hatte) oder unter Mittätern einen Gesamtschuldnerausgleich nach erfolgter Schadensersatzleistung eines Mittäters aufzuerlegen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.), und zwar ungeachtet eines eventuellen auf diesen erfolgten gesetzlichen Forderungsüberganges gemäß § 426 Abs. 2 BGB.

Vor dem Hintergrund der in § 56 Abs. 1 StGB als Auflagezweck normierten Genugtuungsfunktion ist allein die Beseitigung eines zivilrechtlichen Schadens nicht Hauptzweck der Maßnahme (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Daraus folgt, dass die Beurteilung, ob die erteilte Auflage tatsächlich im Sinne des § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB dem Ausgleich des "durch die Tat entstandenen Schadens" dient, nicht allein an den Anspruchsinhalt, sondern maßgeblich auch an die Person des unmittelbaren Tatopfers als Anspruchsinhaber geknüpft ist, der hinsichtlich des Genugtuungszweckes der Auflage über die bloße zivilrechtliche Wiedergutmachung hinausgehend auch zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens stellvertretend für die Rechtsgemeinschaft entschädigt wird (vgl.
OLG Hamburg , a.a.O.). Dies wird besonders deutlich, wenn - wie vorliegend - der Zahlungsverpflichtung auch ein zivilrechtlicher Schmerzensgeldanspruch zum Ausgleich eines immateriellen Schadens zugrunde liegt.

Dies hat zur Folge, dass bei erfolgter Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs an einen Dritten eine Zahlungsanordnung zugunsten des Dritten nicht mehr den "durch die Tat entstandenen Schaden" betrifft und mithin nicht von § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB gedeckt ist. Nichts anderes kann nach Bewertung des Senats im Fall des Eintrittes der Erbfolge nach dem Tod des unmittelbaren Tatopfers gelten.

Dementsprechend war die als Bewährungsauflage erfolgte Anordnung der weiteren Zahlungen an die Eltern des verstorbenen Nebenklägers nicht rechtmäßig, mit der Folge, dass der angefochtene Widerrufsbeschluss aufzuheben war.

Der Senat weist allerdings den Verurteilten ergänzend vorsorglich darauf hin, dass gleichwohl die aus dem anlässlich der Hauptverhandlung im Juni 2012 zwischen dem Verurteilten und dem Nebenkläger geschlossenen Vergleich resultierenden zivilrechtlichen Ansprüche weiter fortbestehen.

Ob in Fällen der vorliegenden Art die Möglichkeit bestünde, anstelle der - dem Gesetz nach vorrangigen, jedoch in Wegfall geratenen - Wiedergutmachungsauflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB eine der Auflagen gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 2 - 4 StGB anzuordnen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO.


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