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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 175/06 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur überwachungspflicht des Betriebsinhabers hinsichtlich der zu seinem Betrieb gehörenden Lastkraftwagen.
2. Die Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG verhindert nur die Löschung von Voreintragungen. Während der Überliegefrist besteht aber ein Verwertungsverbot.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Betriebsinhaber; Überwachungspflicht; Dauer-OWi; Überliegefrist; Verwertungsverbot

Normen: StVZO 31; StVG 29

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen S.H.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (fahrlässiges Zulassen der Inbetriebnahme eines Lkw im verkehrsunsicheren Zustand).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19. Dezember 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 05. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht (als Einzelrichter gem. § 80 a Abs. 1 OWG) auf Antrag und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen bzw. seiner Verteidiger beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Höhe der Geldbuße auf 200,00 € festgesetzt wird.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Jedoch wird die Gebühr um'/4 ermäßigt; in diesem Umfang hat auch die Staatskasse die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen „fahrlässigen Zulassens der Inbetriebnahme eines Lkw im verkehrsunsicheren Zustand" zu einer Geldbuße von 500,00 € verurteilt worden.
Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene, der als Inhaber eines Bäckereigroßbetriebes Halter von ca. 20 Lkw und 10 Pkw ist, die Wartung, Pflege und Reparatur seines Fuhrparks zwar auf einen Kraftfahrzeugmechaniker delegiert, diesen aber nicht hinreichend überwacht und auch darüber hinaus den kaufmännischen Angestellten, dem er seinerseits die Überwachung des Kraftfahrzeugmechanikers übertragen hatte, weder hinreichend überwacht noch diesen in seinen Überwachungsauftrag in ausreichender Weise eingewiesen.
Der am 1. April 2005 kontrollierte Lkw wies zahlreiche Mängel auf, insbesondere auch im Bereich der Bremsen und der Lenkung.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts und ist insbesondere der Auffassung, durch Delegation der Aufgaben sei er seiner Überwachungspflicht als Halter hinreichend nachgekommen.
Ferner beanstandet er, einer Verurteilung der vorliegenden Dauerordnungswidrigkeit stehe entgegen, dass gegen ihn wegen vergleichbarer Vorfälle vom 3. und 4. Mai 2005 betreffend jeweils andere Lkws - inzwischen rechtskräftige - Bußgeldbescheide ergangen seien.
Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Höhe der verhängten Geldbuße Erfolg; im Übrigen ist es - insbesondere hinsichtlich des Schuldspruchs - unbegründet i.S.d. §§ 349 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 31 Abs. 2, 69 a Abs. 5 Nr. 3 StVZO in Verbindung mit den weiter aufgeführten §§ 35 h, 38, 41 StVZO. Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Antrag vom 25. April 2006 u.a. folgendes ausgeführt:
„Der Betroffene war für die Verkehrssicherheit der Firmenfahrzeuge i.S. des § 31 Abs. 2 StVZO verantwortlich. Zwar trifft es zu, dass er befugt war, seine Verantwortlichkeit durch die Bestellung einer sachkundigen und zuverlässigen Hilfsperson einzuschränken bzw. zu übertragen (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.06.1999 - 2 Ss OWi 472/99 - m.w.N.). Eine Überwachungspflicht bleibt jedoch auch dann bestehen (zu vgl. OLG Hamm, VRS 52, 64). Es liegt zwar auf der Hand, dass ein Großbäcker mit einem Fuhrpark, der eine Vielzahl von Fahrzeugen umfasst, entweder mangels eigener technischer Sachkunde und/oder aus zeitlichen Gründen kaum in der Lage sein wird, die Verkehrssicherheit der Firmenfahrzeuge stets persönlich zu überprüfen. Er darf sich dazu, wie bereits ausgeführt, geeigneter und von ihm überwachter Hilfspersonen bedienen. Kommt er diesen Vorgaben nach, ist er für Mängel nur dann verantwortlich, soweit er sie kennt oder aufgrund von Fahrlässigkeit nicht kennt. Das Amtsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass der Betroffene aufgrund vorangegangener Auffälligkeiten in dem in Rede stehenden Zeitraum auf den verkehrsunsicheren Zustand des Fahrzeuges hätte aufmerksam werden müssen. Angesichts der offenkundigen Mängel des Fahrzeuges hätte auch entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerdebegründung dem Betroffenen als Laien die offenkundige Verkehrsunsicherheit des Fahrzeuges im Rahmen von von ihm zu fordernden Stichproben und
unangekündigten Kontrollen des mit der Wartung der Fahrzeuge betrauten Zeugen S. auffallen müssen. Insoweit ist der Betroffene in vorwerfbarer Weise seiner Überwachungsverpflichtung nicht nachgekommen. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung ist auch nicht davon auszugehen, dass der Verurteilung wegen der in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit die Rechtskraft der Bußgeldbescheide bzgl. vergleichbarer Vorfälle vom 03.05.2005 und 04.05.2005 entgegen steht. Zwar kann - worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist - statt mehrerer nur eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit vorliegen, wenn der Halter die Inbetriebnahme vorschriftswidriger Fahrzeuge wiederholt zulässt, weil er deren vorschriftswidrigen Zustand infolge fortdauernder unterlassener gebotener Überwachung fahrlässig nicht kennt (zu vgl. Hentschel, StVR, 38. Aufl., § 31 StVZO, Rdnr. 18). Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn - wie hier - der Betroffene sukzessive von der Verkehrsunsicherheit der Fahrzeuge Kenntnis erlangt. Denn nach jeder entsprechenden Kontrolle ist der Fahrzeughalter gehalten, die Kontrolle seines Fuhrparks zu verstärken bzw. überhaupt durchzuführen." Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:
Den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils kann schon nicht entnommen werden, dass wegen weiterer Vorfälle, die sich Anfang Mai 2005 ereignet haben, rechtskräftige Bußgeldbescheide gegen den Betroffenen ergangen sind.
Unabhängig davon, dass es sich um eine Dauerordnungswidrigkeit handeln könnte, wäre spätestens mit der durch die noch im April 2005 erfolgte Anhörung und Bekanntgabe der Ordnungswidrigkeit durch Übersendung des Anhörungsbogens im vorliegenden Verfahren die Dauerordnungswidrigkeit in der Weise beendet und unterbrochen, dass durch gleichartiges weiteres Verhalten eine neue Ordnungswidrigkeit begonnen hätte. Die im Mai 2005 begangene Ordnungswidrigkeit wäre daher eine neue Tat im verfahrensrechtlichen Sinne und von der Verurteilung im vorliegenden Verfahren nicht berührt (vgl. auch BayObLG VRS 70, 58).
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Geldbuße in Höhe von 500,00 € verhängt worden ist.
Der Tatrichter hat die Erhöhung der Regelgeldbuße von 150,00 € nach Nr. 189.2.1 des Bußgeldkatalogs (Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV) neben dem besonderen Maß der Verkehrsunsicherheit des Lkw und der Vielzahl der Mängel insbesondere auch mit den zahlreichen Voreintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister begründet.
Das ist rechtsfehlerhaft.
Neben vier Voreintragungen aus den Jahren 2001 und 2002, jeweils wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, ist nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils vom 19. Dezember 2005 als letzte Eintragung im Verkehrszentralregister ein seit dem 28. Mai 2003 rechtskräftiger Bußgeldbescheid des Märkischen Kreises vom 9. Mai 2003 aufgeführt, durch den der Betroffene wegen einer am 8. April 2003 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Geldbuße belegt worden ist.
Damit war bezüglich der Voreintragungen am 28. Mai 2005 gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG Tilgungsreife eingetreten mit der Folge, dass diese damit einem gesetzlichen Verwertungsverbot unterlagen.
Die Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG steht dem nicht entgegen, da durch sie nur die Löschung der Voreintragung verhindert wird, das Verwertungsverbot in diesem Zeitraum aber bestehen bleibt. In der Überliegefrist von einem Jahr kommt es zwar zu einer Hemmung der Tilgung von verkehrsrechtlichen Vorbelastungen. Dies hat aber lediglich zur Folge, dass in dieser Zeit nachträglich bekannt gewordene neue Ordnungswidrigkeiten der Tilgung alter Voreintragungen entgegenstehen können, es jedoch andererseits während der Überliegefrist bei einem Verwertungsverbot tilgungsreifer Voreintragungen verbleibt (vgl. Beschlüsse des hiesigen 3. Senats für Bußgeldsachen vom 3. Mai 2005 in 3 Ss OWi 228/05 = VRR (Verkehrsrechtsreport) 2005, 233 sowie des 4. Senats für Bußgeldsachen vom 28. März 2006 in 4 Ss OWi 161/06; ferner Senat in einem Vermerk vom 28. November 2005 in 2 Ss OWi 744/05; OLG Karlsruhe zfs 2005, 411 ; Burhoff (Herausg.)/Böttger, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rdn. 2209; vgl. auch Gübner in VRR 2005, 212 ff.).
Das hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil übersehen.
Da insoweit keine weiteren Feststellungen durch den Tatrichter, die zu einer anderen Entscheidung Anlass geben könnten, ersichtlich oder zu erwarten sind, konnte der Senat gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden und die zu verhängende Geldbuße unter Berücksichtigung der gesamten Umstände in angemessener Weise auf 200,00 € festsetzen.
Mit dieser Maßgabe war die im Übrigen unbegründete Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 und 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG, wobei der Senat beim Umfang des Erfolgs des Rechtsmittels berücksichtigt hat, dass der Betroffene in erster Linie seinen Freispruch erstrebt hat.




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